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1945-1989: Die wirtschaftswissenschaftliche Sektion zur Zeit der DDR

Studentenproteste und Gründung der FU

Auch die Studenten trugen zu dem institutionellen Wandel nach 1945 bei. Das Besondere an den Studenten der Nachkriegszeit war ihr relativ hohes Alter, da viele ihr Studium wegen des Krieges nicht hatten vollenden können. Die neuen Immatrikulationen im Jahr 1946 wurden streng überprüft. Die sowjetische Militäradministration legte Wert darauf nur Studenten mit einer anti-faschistischen und demokratischen Gesinnung zuzulassen. Die Kriterien für eine Ablehnung waren Zugehörigkeit zur NSDAP, SA, SS, oder zu NS-Jugendverbänden sowie Offiziere ab dem Rang eines Oberleutnants. Außerdem wurden von den Besatzungsbehörden Verurteilte und Kinder aktiver NS-Funktionäre ausgeschlossen. Es konnten Ausnahmen nur geltend gemacht werden, wenn die Aspiranten mit Dokumenten eine Widerstandstätigkeit beweisen konnten oder als Verfolgte des NS-Regimes galten.

So heißt es in einem Schreiben des Magistrats der Stadt Berlin, Abteilung Volksbildung am 12.6.1946 an die Wirtschaftshochschule Berlin mit Betreff „Statistik für die Russen“:

„(Es) werden für die Statistik, die die Russen jetzt verlangen, folgende Angaben gebraucht, aufgegliedert nach männlich/weiblich, für jede Fakultät getrennt: 1) Vorbildung des Studenten, 2) Beruf des Vaters, 3) Kriegsdienst, 4) frühere politische Einstellung nur aufgegliedert nach NSDAP, sonstige belastende Parteiorganisationen, HJ oder BDM, SPD oder KPD vor 1933, 5) jetzige Parteien, 6) vorhandene Berufsausbildung mit Angabe des Berufs“ (HU Archiv WIWI-Dekanat, Nr. 1866, siehe auch die Richtlinien der Wirtschaftshochschule Berlin für die Zulassung zum Studium vom 1.3.1946)

Die angenommenen Studenten waren jedoch nicht ausschließlich Kommunisten oder Sozial-Demokraten. In der Wahl zum Studenten-Rat im Dezember 1947 kam es zu folgender Aufteilung von 30 Sitzen: 21 Ungebundene, 3 SED, 3 CDU, 2 SPD und 1 LDP (Tent 1988). Die Studentenschaft war in der Hochschulpolitik sehr aktiv und organisierte selbstständig die Gründung der Studentischen AG, Aufräumarbeiten, Teilnahme an Demonstrationen zum 1. Mai und auch Proteste gegen die Universitätsleitung. Es gab aber auch einige Studenten, teils aus der Freien Deutschen Jugend, die aktiv an der Entnazifizierung beteiligt waren. Die Studenten Erwin Rohde, Horst Fruck, Waltraud Falk (geborene Tessen), und Hans Wagner unterstützten die Ziele der Sowjetischen Militäradministration tatkräftig (Schneider 1997: 228). Falk, Wagner, und Rohde wurden später ProfessorInnen an der Fakultät.

Der erste Protest gegen die Zurschaustellung von Parteisymbolen zum 1. Mai am Universitätsgebäude wurde sofort unterbunden und die verantwortlichen Studenten in einem Keller verhört. Georg Wrazidlo war einer der Studenten, die wie zuvor nach dem Protest gegen den Nationalsozialismus, die folgenden Jahre in sowjetischer Haft verbrachten.

Diese und andere Repressalien führten zu einer Entfremdung der nicht-kommunistischen Studenten von der Universität. Wenngleich sich die Mehrheit mit der neuen Ideologie arrangierte und den Einfluss auf die Universität hinnahm, so gab es doch einige, die ihren Protest in Flugblättern, Zeitschriften und schließlich der Kampagne zur Gründung der Freien Universität äußerten (Zschaler 1984). Unterstützung fanden sie dabei in der West-Berliner Presse, die vehement gegen die Universitätsleitung agitierte (Tent 1988: 58). Paul Wandel, Vorsitzender des DVV setzte sich zunächst noch für die Selbstorganisation der Studenten ein, löste sie aber später wieder auf, als sie zur Anlaufstelle für Kritik an der Universitätsleitung wurde. Für die West-Berliner Presse und die oppositionellen Studenten wurde Paul Wandel deshalb zum Symbol sowjetischer Einmischung in die Hochschulpolitik und undemokratischer Manipulation.

Auch der Leiter der Rechtsabteilung der amerikanischen Militärregierung, Louis Glaser, äußerte sich 1948 sehr kritisch gegenüber der Humboldt Universität:

„Die Universität von Berlin ist zu nicht mehr und nicht weniger als einer Keimzelle für kommunistische Indoktrinierung herabgesunken. […] Damit nicht genug: Sie ist eindeutig antiamerikanisch. […] Die ganze Universität ist eine Brutstätte des Hasses auf die Vereinigten Staaten und auf die US-Militärregierung. […] sie als Brutstätte eines totalitären Kommunismus brandmarken […] dagegen protestieren, dass Lebensmittel im Wer von Tausenden Dollars für die Ernährung Sowjetzonaler Jung-Kommunistenführer aufgewendet werden, die sich in Berlin an amerikanischen Rationen sattfressen, während sie den Hass auf Amerika pauken.“ (in Tent 1988, S.79/80)

Am 8. Juni 1948 löste der Senat den Studentenrat auf und verbot weitere Sitzungen. Als die Studierenden die Amerikanische Militäradministration von ihrem Vorhaben überzeugen konnten, kam es 1948 zur Gründung der Freien Universität. Diese konnte aber nur ca. 3-4% der Studenten sowie vier ordentliche und drei Professoren mit Lehrbeauftragte von der Humboldt-Universität abziehen (Mohrmann 1980: 27, Lönnendonker 1987: 439) Manche Studenten der Humboldt-Universität nutzten die Chance, die Freie Universität im amerikanischen Sektor zu besuchen ohne zu dieser zu wechseln. Dieses Vorgehen war allerdings nicht ganz gefahrlos, denn es wurden Listen geführt, auf denen Studenten vermerkt wurden, die im Westen die Universität besuchten und gleichzeitig Lern- oder Lebensmittel im Osten kauften. Jürgen Rambaum, der in den späten 50er Jahren an der Fakultät studiert hat, beschrieb die damalige Situation seiner Studienzeiten mit folgenden Worten:

„Da ich noch vor dem Mauerbau studiert habe, hätten wir natürlich die Möglichkeit gehabt, wie alle anderen Berliner nach West-Berlin zu fahren und uns dort in Bibliotheken zu „bedienen“. Und ich kann natürlich nicht sagen, ob das nicht der Eine oder Andere auch gemacht hat. Aber offiziell wäre das nicht möglich gewesen, und wenn jemand davon Gebrauch gemacht hätte und es wäre bekannt geworden, dann wäre ihm das sicherlich nicht gut bekommen... Ich erinnere mich zwar, dass wir in jeweils kleinen Gruppen in Westberlin gewesen sind, um mit Studenten der FU und der TU zu diskutieren. Diese Diskussionen hatten jedoch keinen wissenschaftlichen Bezug, sondern es ging dabei um Themen wie „Atomare Bewaffnung der BRD“ oder „Alte Nazis in der BRD“, bei denen wir die Westberliner Studenten zum Kampf gegen derartige Erscheinungen mobilisieren wollten.“ (persönliches Gespräch)

Georg Wrazidlo Quelle: http://www.gegen-diktatur.de/gross.php?tafel=Widerstand%20von%20Studenten&beispiel=Georg%20Wrazidlo&anzahl=1&num=1&bild=18291.jpg&bu=Georg%20Wrazidlo&quelle=Universit%26auml%3Bts-Archiv%2C%20FU%20Berlin