Der Wirtschaftshistorische Ausschuss gehört zu den ältesten der Fachausschüsse des Vereins für Socialpolitik. Außer den Ausschüssen für Wirtschaftstheorie und -politik, Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre wurden bei der Wiedergründung des Vereins nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch zwei weitere themenbezogene Ausschüsse gegründet, nämlich der Ausschuss für Socialpolitik und eben derjenige für Wirtschaftsgeschichte, dessen Leitung zunächst der damals in Heidelberg tätige Horst Jecht innehatte. Seine Nachfolge als langjähriger Vorsitzender übernahm Friedrich Lütge (München). Aus jener Zeit existiert ein Protokoll über die Ausschusssitzung am 11. Oktober 1958 in Baden-Baden. Da diese möglicherweise repräsentativ für die damaligen, alle zwei Jahre stattfindenden Sitzungen ist, soll hier aus der Niederschrift das Folgende mitgeteilt werden: Die Sitzung dauerte von 9.00 - 13.00 Uhr. Es nahmen teil Friedrich Lütge als Vorsitzender, Hektor Ammann, Wolfram Fischer, Günther Franz, Bernhard Kirchgässner, Jakob van Klaveren, Erich Maschke sowie Wolfgang Zorn. Man tauschte sich aus über die an verschiedenen Forschungsstätten des In- und Auslands geleistete Arbeit, soweit davon Mitglieder Kenntnis hatten, u.a. über interessante Pläne für die Errichtung einer Historischen Bundeskommission.
Nachdem 1961 die Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte als eigenständige, einen größeren Mitgliederkreis umfassende Organisation, deren Vorsitz ebenfalls Lütge innehatte, gegründet worden war, trat letzterer 1962 als Ausschussvorsitzender zurück. Sein Nachfolger war bis 1966 Wilhelm Abel (Göttingen). Wie bei anderen Ausschüssen schon zuvor geschehen (Ausschuss für Betriebswirtschaftslehre 1958, Ausschuss für Socialpolitik 1964), stellte danach auch der Wirtschaftshistorische Ausschuss seine Tätigkeit vorläufig ein, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei. Diese Krise der Ausschussarbeit war offenbar verknüpft mit dem Generationswechsel auf den wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühlen. Für die Wirtschaftsgeschichte bedeutete das, dass sie nicht mehr als eigenständige Fachrichtung innerhalb der Berufsorganisation der deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaften repräsentiert war.
Auf der Sitzung des Erweiterten Vorstands des Gesamtvereins am 10. April 1967 in Baden-Baden wurde aufgrund einer schriftlichen Anregung von Knut Borchardt (Mannheim) beschlossen, den Wirtschaftshistorischen Ausschuss, da er seit Jahren nicht mehr zusammengetreten sei, als nicht mehr existent anzusehen. Gleichzeitig wurde Wolfram Fischer (Berlin) mit der Prüfung der Frage beauftragt, ob ein neuer Ausschuss konstituiert werden könne. Eine daraufhin von diesem durchgeführte Umfrage bei den nationalökonomisch orientierten Wirtschaftshistorikern der Bundesrepublik, Österreichs und der Schweiz ergab, dass das Interesse an der Wiederbelebung eines Wirtschaftshistorischen Ausschusses so groß war, dass der Versuch einer Neugründung aussichtsreich erschien. Die konstituierende Sitzung des neuen Ausschusses hat dann Ende September 1968 im Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Freien Universität Berlin stattgefunden. Auf ihr wurde Wolfram Fischer zum Vorsitzenden gewählt, dem 1971 Harald Winkel (Aachen) folgte.
Unter den Referenten der ersten Ausschusssitzungen befanden sich Friedrich-Wilhelm Henning, Lennart Jörberg, Karl Heinrich Kaufhold, Jakob van Klaveren, Paul C. Martin und Akos Paulinyi. Die ersten beiden Tagungsbände waren "Beiträge zu Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur im 16. und 19. Jahrhundert", herausgegeben von Wolfram Fischer (Berlin 1971) und "Finanz- und wirtschaftspolitische Fragen der Zwischenkriegszeit", herausgegeben von Harald Winkel (Berlin 1973).
Christoph Buchheim
Auf der Basis von Informationen, die dankenswerterweise Knut Borchardt sowie Jan-Otmar Hesse zur Verfügung gestellt haben; siehe auch das Vorwort des genannten, von Wolfram Fischer herausgegebenen ersten Tagungsbandes.