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1945-1989: Die wirtschaftswissenschaftliche Sektion zur Zeit der DDR

Andere wirtschaftswissenschaftliche Institutionen

Die Fakultät spielte keine zentrale Rolle als wirtschaftswissenschaftliche Institution der DDR. Andere Institutionen waren enger mit den politischen Entscheidungsträgern verbunden. Die wichtigsten Forschungsorgane der Wirtschaftsplanung waren die Akademie der Wissenschaften, die Akademie für Gesellschaftswissenschaften, welche direkt dem Zentralkomitee der SED unterstellt war, sowie ab 1965 das Zentralinstitut für Wirtschaftsführung beim ZK. Die wichtigste Ausbildungsstätte war die Parteihochschule des ZK. Darüber hinaus konkurrierte die Fakultät als Ausbildungsstätte mit der Hochschule für Ökonomie in Karlshorst.

Die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED wurde am 21. Dezember 1951 als Institut für Gesellschaftswissenschaften gegründet und am 21. Dezember 1976 zur Akademie erklärt. Dies war die oberste Instanz der Forschung in der DDR. Acht Parteiinstitute, die auf den Gebieten Philosophie, marxistisch-leninistische Philosophie, Soziologie, Geschichte, wissenschaftlicher Kommunismus, deutsche und internationale Arbeiterbewegung, marxistisch-leninistische Kulturwissenschaft, Imperialismus Forschung und politische Ökonomie forschten waren ihr untergeordnet. Die Akademie für Gesellschaftswissenschaften genoss aufgrund ihrer Nähe zur Politik Zugang zu akkuraten Daten sowie zu westlicher Literatur. Karl-Heinz Stiemerling, Professor für Politische Ökonomie des Sozialismus an der Fakultät von 1981-1990, nahm 1971 die Stelle des Prorektors an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften des ZK an. Zuvor war er Mitarbeiter der Abteilung Planung und Finanzen im Zentralkomitee der SED.

Die direkteste Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik war wohl die Parteihochschule Karl Marx am Märkischen Ufer, welche den politischen Kader ausbildete. Deren Wissenschaftler hatten nur wenige, unregelmäßige Kontakte zu den anderen Wirtschaftswissenschaftlern Berlins. Das Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK wurde 1965 gegründet und führte die eigentliche Beratungs- und Forschungsarbeit auf wirtschaftspolitischer Ebene aus. Deren Wissenschaftler, im Gegensatz zu denen der Parteihochschule, waren im wissenschaftlichen Umfeld respektiert, und nahmen zum Teil auch am fachlichen Austausch teil.

Mehr Kontakt bestand zu der schon 1946 gegründeten Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Diese schloss mehr als die Akademie für Gesellschaftswissenschaften an die Tradition der Preußischen Akademie an, wenn es auch nach dem Vorbild der sowjetischen Akademie der Wissenschaften gestaltet wurde. Ab der II Hochschulreform 1951 war sie direkt dem ZK unterstellt. Günther Kohlmey und Fritz Behrens hatten im Jahr 1954 das dortige Institut für Wirtschaftswissenschaften gegründet. Dieses hat in den 60er Jahren zahlreiche Hochschulabsolventen eingestellt. Kuczynski war Begründer und Leiter der Abteilung Wirtschaftsgeschichte am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften bzw. des 1967 auf ihn zugeschnittenen Instituts für Wirtschaftsgeschichte. Der Austausch zwischen Fakultät und der Akademie fand zusätzlich in Form von kurzen Forschungsaufenthalten an der Akademie statt. Im Gegenzug kamen Aspiranten der Akademie zur Promotion an die Universität, da die Akademie kein Promotionsrecht hatte. 1972 wurde der wissenschaftliche Rat für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung an der Akademie gegründet (siehe unten).

Mitte der 50er Jahre kam es zu einer sogenannten Revisionismusdebatte zwischen den Gründern des wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Akademie und der Partei, letzterer unterstützt von Robert Naumann (Schneider 1997: 238ff). Dieser Konflikt wurde bei der ersten DDR-weiten-wirtschaftswissenschaftlichen Konferenzen über „die Übergangsperiode [vom Kapitalismus zum Sozialismus]“ (450 Teilnehmer) und die „Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft in Westdeutschland“ (700 Teilnehmer) ausgelöst. Behrens schrieb in seinem Einleitungsartikel, dass „[...] das wissenschaftliche, politische und öffentlichkeitswirksame Problem des ökonomischen DDR-BRD-Vergleich nicht begrüßt (...) wurde.“ (Ibid.) Sein Ausgangsartikel in Die Wirtschaft wurde von Alfred Lemnitz und Robert Naumann „polemisch-politisch denunziert“. Kohlmey schrieb hierauf im November 1956 an Fritz Behrens einen Brief, der von der Partei gelesen und denunziert wurde. Kohlmey schrieb in diesem Brief auch, „dass auch der Sozialismus nationale und international Marktwirtschaft ist“ (in Krause 1998: 127). Von Kohlmey und Behrens wurde hieraufhin immer weiterführende Selbstkritik gefordert, bis schließlich Behrens von seinen Regierungsfunktionen entbunden und Kohlmey als Institutsdirektor abgelöst wurde. Nachdem sich auch Kuczynski in die Debatte einbrachte, wurde auch er von der SED als Revisionist betitelt, und zur Rücknahme seiner Äußerungen gezwungen. Dies verschärfte den Konflikt mit Naumann an der Fakultät, was so weit ging, dass Kuczynskis Professur 1957 schlichtweg gestrichen wurde. Das Institut für Wirtschaftsgeschichte erhielt die linientreue Waltraud Falk. Kuczynski konnte ab 1960 wieder Vorlesungen halten.

Die Hochschule für Ökonomie, ursprünglich Hochschule für Planökonomie, wurde am 4. Oktober 1950 von einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern und Eva Altmann gegründet und bestand während der gesamten DDR- Zeit. Bruno Leuschner, der an der Ausarbeitung der ersten Wirtschaftspläne der DDR beteiligt war, schrieb:

Mit Hilfe der alten Betriebswirtschaftslehre können wir unsere volkseigene Wirtschaft niemals entwickeln. Durch eine neue Hochschule .... können nunmehr Menschen herangebildet werden, die nicht durch ausweglose Wirtschaftstheorien verwirrt sind, sondern deren Stärke und Überlegenheit darin besteht, dass sie brauchbares volkswirtschaftliches Wissen besitzen, dessen Anwendung die erfolgreiche Durchführung unserer großen Volkswirtschaftspläne ermöglicht. (in Schneider 1997: 233)

Lehrfächer waren Volkswirtschaftsplanung einschließlich Politische Ökonomie, Industrie-, Handels-, Transport- und Agrarplanung. Die Hochschule für Ökonomie wurde stärker als die Fakultät vom sowjetischen Vorbild getragen. In den Anfangsjahren hielten Sowjetische Professoren Vorlesungen in den Fachrichtungen Volkswirtschaftsplanung und wirtschaftliche Rechnungsführung. Die Hochschule veröffentlichte regelmäßig eine Zeitschrift mit Kommentaren und Ergänzungen zur Wirtschaftspolitik und konkretisierte damit ihren Platz in der politischen Landschaft. Zeitzeugen beurteilten das Verhältnis zur Hochschule unterschiedlich. Einerseits bestand die Auffassung, die Fakultät kam einer „unterschiedlichen Welt“ gleich (Schmerbach), andererseits betonte Dieter Klein die konstante Zusammenarbeit mit der Hochschule für Ökonomie.

Von diesen Institutionen war die Fakultät der Humboldt-Universität die politisch unwichtigste und besaß daher eine gewisse Selbständigkeit. Dies hing gewiss auch damit zusammen, dass sie nicht von der Partei ins Leben gerufen war, und daher „stiefkindlich“ behandelt wurde (1960 feierte die Universität ihre 150 Jahresfeier mit historischen Arbeiten zur Universitätsgeschichte aus sozialistischer Perspektive (Verzeichnis)). Diese „Autonomie“ hieß andererseits, dass man nur begrenzten Zugang zu verlässlichen Daten bekam.

Im Jahre 1958 kam es zu einer der wenigen internationalen Konferenzen, an denen die Forscher der genannten Institutionen mit Forschern aus dem Westen zusammentrafen: „Konjunktur, Krise, Krieg: internationale wirtschaftswissenschaftliche Konferenz der Humboldt-Universität zu Berlin“. Das Ziel der Konferenz war:

„1. Die marxistischen Wissenschaftler müssen den Zusammenhang zwischen der sich in der kapitalistischen Welt ausbreitenden Wirtschaftskrise und der erhöhten Kriegsgefahr aufdecken, der sich besonders in der gesteigerten Aggressivität des USA-Imperialismus und des westdeutschen Imperialismus zeigt. 2. Der Kampf um die Sicherung des Friedens kann durch die Wirtschaftswissenschaftler am erfolgreichsten geführt werden, wenn sie gleichzeitig in ihrer Forschungs- und Lerntätigkeit das sozialistische Weltsystem aktiv unterstützen. 3. Um der Arbeiterklasse und allen werktätigen Menschen der Welt zu helfen, den historischen Prozess des Übergangs von Kapitalismus zum Sozialismus, in dem wir uns befinden, richtig zu verstehen, ist es für die Wirtschaftswissenschaftler wichtig, solche Forschungsarbeiten zu verstärken, durch deren Ergebnisse die Überlegenheit und der wachsende Einfluss des sozialistischen Weltsystem gegenüber dem übrigen Teil der Welt bewiesen wird“. (Humboldt Universität zu Berlin 1959: 5)

Sitz der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S97609
Hauptgebäude der Hochschule für Ökonomie
Quelle: commons.wikimedia.org