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1882-1933: Das staatswissenschaftlich-statistische Seminar

Internationale Ausstrahlung

Schmollers jüngere historische Schule hatte in erster Linie Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland. Ihre Ausstrahlung erreichte aber auch andere Länder, insbesondere die Vereinigten Staaten. Das staatswissenschaftliche Seminar genoss international eine beachtliche Ausstrahlung. Der Ausländeranteil der Studenten erreichte 1896 mit 46% seinen Höhepunkt. Die meisten kamen aus Russland und Osteuropa, es waren aber auch zahlreiche US-Amerikaner darunter (Czech 2010: 284). Grund für die Attraktivität Berlins für amerikanische Studenten war das hohe Ansehen des Ausbildungssystems mit seiner Einheit von Forschung und Lehre sowie seiner Lehrfreiheit. In den Vereinigten Staaten war die Lehre eher einem Schulbetrieb vergleichbar (Schellschmidt 1997: 203). Die enge Verbindung zu den Vereinigten Staaten hat Jürgen Kuczynski später mit Verweis auf die ähnliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage erklärt. Nach dem deutsch-französischen bzw. dem amerikanischen Bürgerkrieg setzte in Deutschland wie den USA eine äußerst schnelle Industrialisierung ein (Kuczynski 1978: 169 f.). Kuczynski zitiert eine 1908 von Henry Farnham publizierte Umfrage unter den führenden Ökonomen in den Vereinigten Staaten und Kanada, die zeigt, dass von 59 von den 126 Befragten eine Zeit (durchschnittlich 2 Jahre) in Deutschland studiert hatten. 20 hatten sogar ihre Promotion dort geschrieben, 80 fühlten sich von der deutschen Nationalökonomie beeinflusst. Als bedeutende Lehrer werden am häufigsten Schmoller, Wagner und Johannes Conrad (aus Halle) genannt (Kuczynski 1978: 168). Viele der Ökonomen, die einen in Deutschland in der historisch sozialreformerischen Schule unterrichtet worden waren, nahmen in den folgenden Jahren wichtige Posten in Wissenschaft und Politik ein (Schellschmidt 1997: 203).

1885, 12 Jahre nach der Gründung des Vereins für Sozialpolitik, wurde in den Vereinigten Staaten die American Economic Association gegründet. In ihrem Statut finden sich deutliche Einflüsse der historischen Schule wenn es heißt, dass „nicht so viel Gewicht auf Spekulation wie auf das historische und statistische Studium der gegenwärtigen Bedingungen des Wirtschaftslebens“ gelegt werden soll (zitiert nach Kuczynski 1978: 166). Edwin R. Seligman, Mitbegründer und Präsident der Association von 1902 bis 1904, war im Jahr 1879 Student Wagners und auch mit Schmoller persönlich bekannt. Von Seligman wurden viele Doktoranden aus den Vereinigten Staaten zu Schmoller nach Berlin verwiesen (Kuczynski 1978:168; GStA PK, 8, 6: 153: Bl.57; Brief Seligman 1894). Wie gefragt Schmoller in den Vereinigten Staaten war, kann man an den Briefen Rowes sehen, der nach seinem Auslandsaufenthalt über Schmoller publizierte und mehrere seiner Bücher ins Englische übersetzte (2 Briefe von Rowe an Schmoller 1893; GStA PK, 8, 6: 153: Bl. 36-40)

Wenn auch England von der klassischen Wirtschaftstheorie stärker als Deutschland geprägt war, gab es auch dort eine kleine historische Schule. Ein Brief, in dem sich William Ashley Gustav Schmoller vorstellt, bringt die Schwierigkeiten der historischen Schule in England zum Ausdruck:

„I venture to send you by this post a small piece of work on Economic History ; and I do so because I am so much endebted both to the ideas in your Grundfragen as to the facts in your Tucher-u.-Weberzunft. [...] I have worked at Economic History and at the history of economic ideas. But one who is not in sympathy with the prevalent economic orthodoxy, [...] feels himself very isolated in England. In Oxford I stand quite alone, and that is the position also of Mr. Cunningham at Cambridge. Under these circumstances I have looked to Germany for help and stimulus.“ (GStA PK, 8.6.153.Bl. 25 (1889): Originaltext)

Es entwickelte sich in weiterer Folge ein Briefwechsel zwischen Schmoller und Ashley. Ashley verehrt Schmoller tief und widmet ihm seine Antrittsvorlesung, als er 1888 nach Toronto wechselte. (GStA PK, 8, 6:153:Bl. 6-7 (1888); Bl. 8 (1889);Bl. 9 (1889)) (Originaltexte)

Gustav Friedrich von Schmoller
Quelle: Universitätsbibliothek der
Humboldt-Universität zu Berlin