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1882-1933: Das staatswissenschaftlich-statistische Seminar

Die Gründung der Handelshochschule

1906 wurde in der Spandauer Str. 1, dem heutigen Sitz der Fakultät, die Handelshochschule errichtet und gegründet. Die Handelshochschule war eine von der Universität unabhängige, und eigenfinanzierte Institution, die sich der Ausbildung des Kaufmannsstandes widmete. Sie nahm eine Mittelstellung zwischen bisherigen berufsbildenden Handelsschulen und Universität ein. Sie beschränkte sich einerseits auf die Berufsausbildung, doch bediente sich zugleich der Ergebnisse neueren universitären Forschungen. Erst später, zu einer Zeit als der Kaufmannstand unter anderen Vorzeichen seine Tätigkeit ausübte (zur Zeit des Nationalsozialismus und der der DDR), wurde die Handelshochschule in die Universität eingegliedert. Nach der Wende wurde sie ganz nach dem Westdeutschen Modell als betriebswirtschaftliches Institut an der Fakultät beibehalten und nicht, zum Beispiel im Sinne einer Business School, ausgegliedert.

Mit der raschen Entwicklung der Industrie und des Handels in Berlin sahen sich viele Unternehmen mit einer komplexen arbeitsteiligen Organisation und Verwaltung bei stetig wachsendem Handels- und Außenhandelsvolumen konfrontiert. Es stieg damit der Bedarf an Kaufmänner, die über analytische Kenntnisse verfügten und Probleme vorausschauend lösen konnten. Die bereits bestehenden kaufmännischen Fortbildungsschulen und Handelsschulen waren nicht ausreichend, um diesen zunehmenden Bedarf zu decken. Auf dem Hintergrund herrschten schon in den 1880er Jahren in Deutschland rege Diskussionen um die Gründung von Hochschulen kaufmännischer Ausbildung. Dies geschah in der sogenannten "Handelshochschulbewegung", welche die universitäre Ausbildung notwendig hielt, damit Deutschland seine Position als wirtschaftliche Macht in Europa und in der Welt begründen könne. Die Bewegung war auch von nationalistischen Motiven getragen. So schrieb der erste Studiendirektor der Handelshochschule Leipzig, Hermann Raydt, dass „die Kämpfe der Zukunft zwischen den Kulturvölkern in der alten und neuen Welt sich im wesentlichen auf wirtschaftlichem Gebiete abspielen werden“ (Hermann Raydt, Handelshochschulen: 958 zitiert in Franz 1998: 29). Der Unternehmer und Politiker Gustav von Mevissen war einer der Hauptprotagonisten der Bewegung. Er veröffentlichte im Jahre 1879 eine Denkschrift, in der er die Notwendigkeit der Schaffung von Handelshochschulen im Rheinland darstellte. Er forderte,

„Bildungsanstalten zu schaffen, welche, die Bedingungen späterer erfolgreicher Tätigkeit auf dem Gebiete des Erwerbslebens in sich aufnehmend und dieselben kultivierend, neben einer gründlichen Fachbildung zugleich die allgemeine menschliche Bildung nach wissenschaftlicher Methode fördert und im Manne des Faches zugleich den fest in sich ruhenden Charakter, den sittlichen, selbstbewußten Menschen erzieht" (zitiert in Zschaler 1997: 17)

Die Bewegung knüpfte an Entwicklungen in anderen Ländern an. Dort wurden schon früher Anstalten höherer kaufmännischer Ausbildung gegründet - in Paris, London und in den USA. Im Vergleich zu diesen Ländern, war die Entwicklung von Handelshochschulen in Deutschland eher rückständig. Kaufleute und Industrielle in Deutschland nahmen an, dass man das kaufmännische Handeln nur durch praktische Erfahrungen und durch seine alltäglichen Tätigkeiten erlernen kann. Wissenschaft würde den natürlichen Entwicklungsgang des Kaufmanns nur stören. Trotz dieses Widerstandes, hatte die Handelshochschulbewegung Erfolg. In Deutschland wurde 1898 in Leipzig die erste Handelshochschule eröffnet, eine Einrichtung der Handelskammer zu Leipzig, die aber auch vom sächsischen Staat beeinflusst war. Im Jahr 1898 folgten Aachen und 1901 Köln und Frankfurt am Main.

Verantwortlich für die kaufmännischen Bildungsanstalten in Berlin waren 1899 die Ältesten der Kaufmannschaft. Der Syndikus der Korporation der Kaufmannschaft, Max Apt, war der Hauptakteur, der zur Gründung der Handelshochschule beigetragen hatte.

Am 1. März 1900 hielt Apt einen Vortrag vor dem "Verein Jünger Kaufleute", in dem er die Errichtung einer Handelshochschule in Berlin als unerlässlich bezeichnete. Hierauf wurde hierfür bei der Kaufmannschaft ein Antrag gestellt, und von vielen Korporationsmitgliedern unterstützt. 1903 beschloss die Kaufmannschaft die Handelshochschule Berlin als eine eigenständige Einrichtung zu gründen. Ein neues Gebäude musste gebaut werden. Dies geschah an der Spandauer Straße 1, symbolträchtig neben der Berliner Börse am Spreeufer (siehe Handelshochschule). Am 27. Oktober 1906 wurde die Handelshochschule feierlich eröffnet.

Obwohl die Berliner Handelshochschule nicht die erste ihrer Art war, war sie die erste, die finanziell und organisatorisch völlig von einer kaufmännischen Körperschaft unterstützt wurde. Wie Johannes Kaempf, Präsident der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, in der Eröffnungsfeier am 27. Oktober 1906 sagte, war das Unternehmen „von Kaufleuten begründet und für Kaufleute bestimmt“ (Kaufmannschaft 1906a; Bericht)

Sowohl für die Errichtung als auch für die Versorgung und den Unterhalt der Hochschule wurden in den folgenden Jahren keine öffentlichen Zuschüsse in Anspruch genommen. Die Handelshochschule war zunächst weniger eine Ausbildungs- als vielmehr eine Fortbildungsstätte von erfahrenen Kaufleuten. Die Regelstudienzeit war dementsprechend mit 4 Semestern kürzer als an den Staatswissenschaften.

Neben Veranstaltungen der Handelswissenschaft - Vorläufer der heutigen Betriebswirtschaftslehre – und staatswissenschaftlichen Veranstaltungen wie Nationalökonomie und Statistik, wurden auch andere Fächer unterrichtet wie Rechtslehre, Geographie, Handelsgeschichte, Warenkunde, Chemie und Physik. Es wurden hierzu auch Künstler, Architekten, Unternehmer und Beamten zur Lehre an die Handelshochschule berufen. Die Einbeziehung von Übungen und Exkursionen in Berliner Betriebe sollten als Ergänzung zu Vorlesungen und Seminaren gelten. Das Erlernen von Fremdsprachen war ebenso von großer Bedeutung. Man konnte neben Englisch und Französisch auch Sprachen wie Spanisch, Italienisch und Russisch lernen. Darüber hinaus war es möglich Veranstaltungen wie etwa Stenographie (kaufmännische Handschrift), ausländisches Kulturleben und Philosophie zu studieren. Dadurch erfüllte die Handelshochschule ihre Aufgabe, "jungen Kaufleute, unter steter Berücksichtigung der praktischen Verhältnisse, eine vertiefte und allgemeine kaufmännische Bildung zu vermitteln“ (Kaufmannschaft 1906b: Originaltext).

Die Handelshochschule konnte sich schnell als angesehene Institution etablieren, und machte sich mit prominenten Berufungen wie zum Beispiel Werner Sombart einen Namen. Unter dieser ersten Generation von Professoren befanden sich auch Ignaz Jastrow, Paul Eltzbacher, Arthur Binz, und Adolf Mertens. Johann Friedrich Schär war bekannt für seinen Versuch, die Betriebswirtschaftslehre als eine ethisch-normativen Zweig der Volkswirtschaftslehre zu begründen. Schär war auch für die Einteilung des Fachs verantwortlich ( Originaltext) und wurde später seinem 1911 erschienenen Lehrbuch „Allgemeine Handelsbetriebslehre“ bekannt. Friedrich Leitner und Willi Prion waren weitere wissenschaftliche Pioniere, welche seit der Gründung der Handelshochschule den Ruf Berlins als betriebswirtschaftliches Zentrum der Forschung und Lehre begründet hatten (Zschaler 1997: 36). Die Professoren Weyermann und Schönitz stießen mit ihrem 1912 veröffentlichten Buch, in dem sie die Eingliederung der Betriebswirtschaftslehre empfahlen, auf scharfe Kritik. 1921 folgte Heinrich Niklisch Schär als Rektor, der zusammen mit Friedrich Leitner eine eigene Schule der Betriebswirtschaftslehre neben Schmalenbach in Frankfurt repräsentierte. Auf die Kontinuitäten mit dem Nationalsozialismus geht der nächste Abschnitt ein. Franz Eulenburg, Freund und Vertreter der Lehren Sombarts, war seit 1926 an der Handelshochschule tätig.

In den folgenden Jahren, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg, vertieften sich die Kooperationen der beiden wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulinstitute. Es herrschte ein reger Austausch von Wissenschaftlern und Studenten. Einige Professoren der Berliner Universität hielten Vorlesungen an der Handelshochschule, wie zum Beispiel Ignaz Jastrow und Ladislaus von Bortkiewicz (Volkswirtschaftslehre) sowie Hugo Preuß (Rechtswissenschaften). Der zu Beginn herrschende Gegensatz zwischen liberalem Geist der Kaufmannschaft in der Handelsschule und dem „Kathedersozialisten“ am staatswissenschaftlichen Seminar löste sich bald auf, und war schon zur Zwischenkriegszeit mehr kaum zu spüren. Symbol dieser Anerkennung war die 1927 genehmigte Promotionsordnung für Diplom-Kaufleute und Diplom-Handelslehrer.

Die Gründung der Handelshochschule als Privatinstitut, das als oberste Ziel hatte, Wirtschaftswissenschaften nicht nur als rein theoretisches Studienfach, sondern als praktischen Beruf zu vermitteln, war der Anfang einer deutschlandweiten Entwicklung. Die Handelshochschule Berlin hatte für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre als eigenständige Disziplin zwischen Berufsfachschule und Wissenschaft eine große Bedeutung.

Prof. Dr. Max Apt
Quelle: Korporation der Kaufmannschaft 1920: 528-529
Das Gebäude der Berliner Handelshochschule
Quelle: Korporation der Kaufmannschaft 1920: 368-369
Die Aula der Berliner Handelshochschule
Quelle: Korporation der Kaufmannschaft 1920: 400-401
Johannes Kaempf
Quelle: Korporation der Kaufmannschaft 1920: 312-313