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1989-2012: die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät heute

Quantitatives Forschungsprofil

In Zuge der Neukonstituierung versuchte man der Fakultät ein quantitatives Profil zu verleihen. Damit setzt die heutige Fakultät in der Tat an vergangene Regime vor, während, und nach dem Historismus an. Die Fakultät gliedert sich in drei Bereiche: Neben „Betriebswirtschaftslehre“ und „Volkswirtschaftslehre“ gibt es noch den Bereich „quantitative Methoden“. Dieser setzt sich aus den Fächern Statistik, Ökonometrie, Wirtschaftsinformatik und „Operations Research“ zusammen. Obwohl dieser Bereich das neue, also von der DDR Vergangenheit gelöste Profil der Fakultäten tragen soll, gilt gerade hier, dass die Forschungsmethoden vor 1989 anschlussfähig waren, wenn man zum Beispiel den Bereich „Operations Research“ und Statistik betrachtet, die beide mit wenig neoklassischer Theorie auskommen.

Der Sonderforschungsbereich 373 „Quantifikation und Simulation ökonomischer Prozesse“ hat zwischen 1994 und 2003 dazu beigetragen, die Fakultät international anschlussfähig zu machen. Er war der erste Sonderforschungsbereich an einer ostdeutschen Universität. SFB 373 sollte quantitative Verfahren, ökonomische Modellierung und mathematisch-statistischen Methoden auf neue Weisen verbinden. Die Teilbereiche des SFB 373 waren „Quantitative Verfahren“, welcher Zeitreihenanalysen und „wissenschaftliches Rechnen in globalen Netzen“ behandelte, „Mathematische Methoden“, welcher für Zinsstrukturen, Nichtlineare Modelle und Schätzungen zuständig war, und „Ökonomische Modellierung“, welcher die Preisbildung auf Finanzmärkten, oder den Wandel auf dem Arbeitsmarkt abbilden sollte. Im Rahmen der Fortsetzungsanträge wurden dem SFB 373 mehrmals exzellente Leistungen bestätigt (Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft, 25, 2003: 4).

Im Jahr 2005 wurde der Sonderforschungsbereich 649, „Ökonomisches Risiko“, eingerichtet. Wie schon beim SFB 373 steht auch bei diesem Sonderforschungsbereich die Interdisziplinarität verschiedener Fächer, wie z.B. Statistik, Makroökonomie und Mathematik, im Vordergrund. Der SFB 649 teilt sich wiederum in drei Projektgruppen auf, wobei diese zusätzlich durch ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsdatenzentrum unterstützt werden. Die Projektgruppe „Individuelle und vertragliche Antworten auf Risiken“, untersucht das Verhalten einzelner Akteure unter Unsicherheit; die Projektgruppe „Finanzmärkte und Risikobewertung“, soll aus einer Vielzahl von Finanzmarktdaten Risikobewertungsfaktoren schätzen, und für die Bewertung von Unternehmen anwenden (bei gleichzeitiger theoretischen Forschung asymmetrischer Information); die Projektgruppe „Makroökonomische Risiken“, erforscht die wichtigsten Risiken für Arbeits- und Finanzmärkte und dessen wirtschaftspolitische Konsequenzen (sfb649.wiwi.hu-berlin.de).

Seit 2003 besteht der Sonderforschungsbereich/Transregio 15, „Governance und die Effizienz ökonomischer Systeme“. Vor dem Hintergrund, dass sich nach Ende des Kalten Krieges Governance-Strukturen drastisch verändert haben, sollte dieser Sonderforschungsberiech dazu beitragen, „Allokationsentscheidungen effizienter und den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechend besser zu gestalten.“ Dies geschieht vor allem in der Spiel- und Vertragstheorie.

Das quantitative Profil der Fakultät soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine Vielfalt von empirischen Kulturen an der Fakultät gibt, die sich nur teilweise gegenseitig ergänzen. Das Verhältnis von Daten und Theorie wird jeweils unterschiedlich verstanden. So betont zum Beispiel der Makroökonom Burda die Relevanz empirischer Methoden für das Testen von dynamisch-stochastischen allgemeinen Gleichgewichtsmodellen, was weit von der Empirie entfernt ist, die Hildebrandt für seinen Lehrstuhl Marketing als „essenziell“ einfordert (insofern letzterer Daten als Alternative für das Paradigma des „Homo Oeconomicus“ einsetzt). Auch am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte besteht eine ausgeprägte Datenkultur spätestens seit Albrecht Ritschls Berufung 2001. Doch stehen hier weniger allgemeine Gleichgewichtmodelle als Quellenkritik im Vordergrund. Im Gegensatz zum Historismus bleiben empirische Methoden in der ganzen Fakultät jedoch auf quantitative Methoden beschränkt. Qualitative Methoden werden wie bei Schwalbach vom Institut für Management mit wenigen Ausnahmen ausgeschlossen. Dies ist jedoch an jeder anderen Fakultät in Deutschland der Fall und keine Besonderheit der Humboldt-Universität.

Die jüngste Finanzkrise hat den Reformdruck auf die Wirtschaftswissenschaften erhöht. Methoden der Neoklassik sowie Lehrstruktur werden von vielen in Frage gestellt. Da viele Professoren "der ersten Stunde" das Rentenalter erreichen und junge Professoren nachziehen, besteht in der Tat Potenzial zu Veränderungen.