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1989-2012: die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät heute

Die Struktur- und Berufungskommission

Verantwortlich für die Transformation der Fakultät nach der Wiedervereinigung 1990 war die vom Wissenschaftsrat empfohlene Struktur- und Berufungskommission. Sie bildete sich im April 1991, löste die bestehende Personal- und Strukturkommission ab, und war drei Jahre bis zum März 1994 tätig. Grundlage war das Hochschulergänzungsgesetz des Landes Berlin vom 18. Juli 1991. Auch das Hochschulpersonal-Übernahmegesetz des Landes Berlin, das erst im Juni 1992 erlassen wurde, war Grundlage der Arbeit der Kommission. Dieses sah die grundsätzliche Übernahme der Professoren vor, sofern Eignung festgesellt wurde, und der Haushalt die Berufung zuließ.

Die Kommission bestand aus drei externen Professoren, drei internen Hochschullehrern, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin und einem Studenten. Alle Vertreter besaßen das gleiche Stimmrecht. Der bereits emeritierte Wilhelm Ernst Krelle von der Universität Bonn wurde vom damaligen Senator für Forschung und Wissenschaft berufen, die Kommission zu leiten und als Gründungsdekan die neue wirtschaftswissenschaftliche Fakultät aufzubauen. Krelle schlug die externen Professoren Jaakko Honko aus Helsinki und Martin Hellwig aus Basel als weitere externe Mitglieder der Kommission dem Senator vor. Hellwig und Krelle brachten durch ihre USA-Aufenthalte Erfahrungen aus dem amerikanischen Hochschulsystem mit. Zu den internen Mitarbeitern der Kommission zählten die bisherigen Mitglieder der Personal- und Strukturkommission: Dekan Klaus Kolloch, die Dozenten Hans Gernert und Bernd Rönz, die Vertreterin der wissenschaftlichen Mitarbeiter Sibylle Schmerbach, der Studentenvertreter Jens Barthel sowie als ständiger Gast Erhard Knauthe. Die Kommission arbeitete nach folgendem Leitbild:

„Das Ziel der Struktur- und Berufungskommission ist es, einen der hauptstädtischen Situation Berlins, der alten Tradition der Friedrich-Wilhelm-Universität und des Namens Humboldt würdigen wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich zu schaffen, der sich im Kreis der führenden Fachbereiche in Deutschland und in Europa sehen lassen kann.“ (Plinke 1993)

Während sich die ostdeutschen Mitglieder der SBK für einen starken Mittelbau an der neuen Fakultät engagierten, der sich in der Lehre und Betreuung der Studenten bewährt hatte, wurden diese Bestrebungen schnell unterdrückt. Krelle und der Wissenschaftssenator Manfred Erhard einigten sich auf eine Halbierung des Personalstandes von 200 auf etwa 100. So wurden erst 34 (später 31) Professuren der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zugeteilt, auf welche 65 Mitarbeiter verteilt werden sollten. Diese 31 Lehrstühle waren die Basis für Kapazitätsberechnungen, welche mit dem im bundesdeutschen Hochschulrecht verankerten Curricularnormwert errechnet wurden. Bereits im Jahr 1995, noch bevor alle Professuren wiederbesetzt werden konnten, kam es zu erneuten Einsparungen von Professuren.

Für nahezu drei Jahre war diese Kommission für den grundlegenden Neuaufbau verantwortlich. Sie hatte zur Aufgabe, Prüfungs- und Studienordnungen zu entwickeln, eine Profilierung einzuführen, sowie 31 Lehrstühle und 65 dazugehörige Mitarbeiter neu zu besetzen. Vorrang hatten die Besetzungen der Lehrstühle, die es ermöglichten, das Grundstudium aufrechtzuerhalten. Bei diesen Entscheidungen hatten die fakultätsexternen Mitglieder der Kommission nahezu freie Hand. Aufgrund des hohen Zeitdrucks und der teilweise enormen Anzahl der Bewerber blieb den internen Mitgliedern nichts anderes übrig als auf die Neutralität und Expertise der westlichen Professoren zu vertrauen.

Unter den ersten Berufungen waren Elmar Wolfstetter, Wulff Plinke, Joachim Schwalbach, Oliver Günther, Bengt-Arne Wickström, Horst Albach, Werner Güth, Lutz Haegert, Wolfgang Härdle, Helmut Lütkepohl, Richard Stehle, Charles Blankart, und Michael Burda. Einige Bewerber wurden allein nach Aktenlage beurteilt ohne einen Berufungsvortrag zu halten (darunter Wolfstetter und Plinke). Im weiteren Verlauf dieser Bewerbungsprozesse mussten etwa 90% des bestehenden Lehrkörpers die Fakultät verlassen und den westlichen Professoren Platz machen. Für die meisten damaligen Mitarbeiter war es das Ende ihrer akademischen Laufbahn. Diese konnten keine Publikationen in denen im Westen anerkannten internationalen Zeitschriften geltend machen. 1994 befanden sich nur noch zwei Hochschullehrer an der Fakultät, die schon 1989 hier lehrten. Der eine davon betraf eine C4-Professur in Form des international anerkannten Wirtschaftsgeschichtsprofessors Lothar Baar und eine C3-Professur für die BWL-Dozentin Gertich. Somit „überlebten“ nur 6% der DDR-Hochschullehrer den Übergang der Sektion in die neue Fakultät (Kolloch 2001: 298f.).

Im März 1992, als die Struktur- und Berufungskommission schon ein Jahr tätig war, wurde die Abwicklung vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt, da eine Abwicklung eine Auflösung und kein Umstrukturierung verlangte. Nichtsdestotrotz hat sie ihre laufenden Verfahren abgeschlossen. Als Konsequenz galten alle Angestellten, sofern sie die Sektion nicht schon verlassen hatten, als wieder angestellt. Daraufhin war die Berufungs- und Strukturkommission an das geltende Arbeitsrecht gebunden, und konnte für die verbliebenen außerordentlichen Entlassungen, die der Senat explizit verlangte, nur noch Gründe wie „mangelnder Bedarf“ sowie „Nichteignung“ anführen. Dies führte zu großer Verwirrung und zu einer angespannten Situation zwischen neuen und alten Mitarbeitern.

Am 14. Dezember 1992 hielt Wulff Plinke als erster Dekan der neu eröffneten Fakultät seine Antrittsrede, in der er die Ziele und die Herausforderungen, vor denen die Fakultät steht, erläuterte (Plinke 1993). Plinke erläutere die Ziele der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ und bezog sich darüber hinaus auf das Humboldt’sche Bildungsideal. Er grenzte es von Aufgaben ab, die höchstens „kurzfristigen Nutzen“ hätten. Es ginge darum, die Persönlichkeit der Studenten so zu bilden, dass sie Bildung als „Lebensaufgabe“ sähen. Zugleich solle die Fakultät auch in ständigem Kontakt mit der Wirtschaft und anderen internationalen Universitäten stehen, um einen „regen Austausch zum beiderseitigen Vorteil“ herbeizuführen. Die Rede Plinkes spiegelt damit die doppelte Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften wider, die schon seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts über alle Zeiten hindurch an der Fakultät verhandelt wurden.

Quelle: www.studentenrat.de