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1933-1945: Nationalsozialismus

Werner Sombart

Sombart gehörte zu einer der Konstanten an dem Staatswissenschaftlichen-statistischen Seminar Anfang des 20. Jahrhunderts. Sombart promovierte 1888 bei Gustav Schmoller und wurde 1918 an den Lehrstuhl des verstorbenen Adolph Wagner berufen. Sombarts Forschung galt vor allem der Geschichte und Soziologie des Kapitalismus. Zu Beginn des Nationalsozialismus versuchte er sich ohne großen Erfolg als geistiger Vater der nationalsozialistischen Wirtschaftslehre zu etablieren.

Geboren wurde Werner Sombart 1863 in Ermsleben und begann seine akademische Laufbahn 1882 mit einem Studium der Rechtswissenschaften in Pisa, Berlin und Rom. Er besuchte auch Vorlesungen der Philosophie, Staatswissenschaften und der Geschichte. Mit seinem mehrbändigen Werk zum modernen Kapitalismus (1902) legte er den Grundstein seiner Forschung. Er setzte sich Zeit seines Lebens mit dem Sozialismus auseinander und beschäftigte sich vor allem in jungen Jahren intensiv mit den Studien von Marx. Zu seiner Zeit in Breslau setzte selbst Friedrich Engels noch große Hoffnungen in Werner Sombart, wie er diesem in einem persönlichem Brief deutlich macht. Durch seinen Ruf als radikaler Sozialist hatte er zunächst Schwierigkeiten, eine Stelle an der Universität zu bekommen, wurde aber 1906 an der Berliner Handelshochschule beschäftigt. Der Ruf an die Berliner Universität folgte erst 1918.

Öffentliche Bekanntheit erlangte Sombart mit seinem 1911 erschienenen Die Juden und das Wirtschaftsleben, in dem er „[d]ie Befähigung der Juden zum Kapitalismus“ untersucht (Sombart 1911: XXI). Es wurde selbst von Hitler gelesen (Janssen, 2000:89). Ganz im Geiste Max Webers, der ebenfalls den Kapitalismus mit einer Religion in Verdingung brachte, hielt Sombart sein Buch für werturteilsfrei. Es „sei ein Buch, das auf 500 Seiten über Juden spricht, ohne auch nur an einer einzigen Stelle so etwas wie eine Bewertung der Juden, ihres Wesens oder ihrer Leistung durchblicken zu lassen“ (Sombart 1911: 12 ). Dennoch spricht Sombart von der Rasse in dem Sinne, dass die Juden durch „ihre Blutsveranlagung wie ihrer allgemeinen Geschichte nach die geborenen Förderer des Kapitalismus“ seien (in Janssen 2000:116). Judentum wird mit der Idee des Eigennutzes verbunden, womit Sombart ein altes Motiv der historischen Schule antisemitisch interpretiert (siehe zum Beispiel Sombart 1921: 114). Werturteilsfrei oder nicht, als Professor agierte Sombart durchaus antisemitisch. Moritz Julius Bonn, bis zur Entlassung wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 Rektor der Handelshochschule, sagte über Sombart, dass er „bereit war seine jüdischen Kollegen mit Haut und Haaren aufzufressen, obgleich er ihnen sehr zu Dank verpflichtet war“ (in Lenger 2012: 359).

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erhoffte sich Sombart einen Karrieresprung. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Akademie für Deutsches Recht. Sombart gehörte auch zu den Unterzeichnern des „Aufruf der Kulturschaffenden“, welches im Völkischen Beobachter am 18. August 1934 erschien. Ziel des Schriftstückes war es, öffentlich für die Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers zu werben und gleichzeitig die Treue zur Person Adolf Hitlers zu bekunden. Sombart beanspruchte für sich ein geistiger Vater des NS-Antisemitismus zu sein (Lenger 2012: 366). 1933 schreibt er in einem Brief an Johann Plenge, dass er „zahlreiche Ideen seit langem vertreten (hat), die die heutige Politik bewegen (...). Ich kann mich berufen auf mein grundlegendes Buch über die Juden (1911)“ (in Lenger 2012: 366).

Ein besonderes Verhältnis pflegte der Ökonom vor allem mit dem linken Flügel der NSDAP, insbesondere mit den Brüdern Gregor und Otto Strasser. Diese verkörperten einen besonders ausgeprägten Sozialismus, innerhalb des Nationalsozialismus. Forderungen nach Verstaatlichung der Großindustrie und Enteignung der Großgrundbesitzer stellten sich Hitler und der rechte Flügel der NSDAP erfolgreich entgegen. Die Ermordung Gregor Strassers und die Flucht Otto Strassers, ehemaliger Schüler Sombarts, im Rahmen des sogenannten Röhm-Putsches 1934 mussten schon früh Sombarts Träume einer Karriere im Nationalsozialismus trüben (Janssen 2000: 119).

1934 erschien sein Lehrbuch Deutscher Sozialismus (1934). Sombart unterstreicht die Notwendigkeit eines autokratischen Wirtschafts- und autoritären Politiksystems. Er bekräftigte seine nun erfüllte Prophezeiung vom Ende des Kapitalismus und den Beginn eines nationalen Sozialismus. Er forderte eine industriebezogene Wirtschaft und eine verstärkte Rückbesinnung auf den Agrarsektor (Appel 1992: 245). Sein Lehrbuch machte aber vor allem deutlich, wie sehr sich sein Antisemitismus von dem der NS-Ökonomen unterschied. Während die NS-Ideologie und auch Jessen der Meinung war, dass die Rasse biologisch gegeben war, glaubte Sombart vielmehr, dass die Rasse ein geistiges Konstrukt sei und damit übertragbar auf biologisch andere Rassen: „Der deutsche Geist in einem Neger liegt ebenso sehr im Bereiche der Möglichkeit wie der Negergeist in einem Deutschen“ (Sombart 1934: 191). Die sogenannte Judenfrage teilt er dabei in das Personenproblem und das Sachproblem (Sombart 1934: 193ff). In dem Personenproblem plädiert er für die Ausschließung von Juden von öffentlichen Posten. Das Sachproblem ist ein anderes. Es sei die

„Hauptaufgabe des Deutschen Volkes und vor allem des Sozialismus (sein), sich vom jüdischen Geist zu befreien. [Dafür] genügt es nicht, alle Juden auszuschalten; genügt es nicht einmal, eine unjüdische Gesinnung zu pflegen (…) der jüdische Geist (ist) keineswegs an die Person des Juden gebunden.“ (Sombart 1934: 195)

Nach Sombart hat dieser jüdische Geist weite Teile des Lebens im 19. und 20. Jahrhunderts gestaltet und beeinflusst. Vernichtung des Kapitalismus und Antisemitismus gehen dabei für Sombart Hand in Hand. „Es gilt vielmehr, die institutionelle Kultur so umzuschaffen, dass sie nicht mehr als Bollwerk des ‚jüdischen Geistes’ dienen kann.“ (Sombart 1934: 195) Nach Sombart müsse es daher ein Systemwechsel geben, um das jüdische aus der Gesellschaft zu verbannen. Sombart schreibt weiter, dass „dringend davor gewarnt werden [muss], zu glauben: wir könnten unsere Werte aus der Natur entnehmen“ oder „wer bürgt uns denn dafür, dass alle rassigen Menschen wertvolle Menschen sind, und dass die wertvollen Menschen nur rassige Menschen sein können.“ (Sombart 1934:197) Im Gegensatz zur NS-Ideologie ist der jüdische Geist bei Sombart nicht „biologischer, sondern ideeller Natur“ (Janssen 2000: 274). Lenger sieht in dem Lehrbuch „eine fundamentale Kritik des nationalsozialistischen Rassismus“ (Lenger 2012: 371).

Am 5.10.1934 erschien eine von Fritz Nonnenbruch verfasste Stellungnahme im Völkischen Beobachter, indem er klarstellte, es gäbe „nur einen Weg zum Deutschen Sozialismus“ und das wäre der „unseres Führers Adolf Hitler, und keinen zweiten des Herrn Sombarts“ (Janssen 2000: 73). So kam Sombart bald in Bedrängnis mit der Partei und seine Stellung am Institut verschlechterte sich zunehmend. Es wurde von seinen Vorlesungen abgeraten (Appel 1992:19). Auch Fritz Hippler, Regisseur des Films Der ewige Jude, kritisierte Sombart heftig (Benz 2010: 139ff.). So schrieb er am 35.11.1935 in der Berliner Börsenzeitung, dass eine „sosehr hochstehende Rasse (auch geistig) [unmöglich absinken könne], ebenso ist auch die nur geistige Erreichung eines hohen Rassenniveaus durch eine niedere unmöglich“ (Hippler 1935). Auch wenn es viel Widerspruch seitens der NS-Kader gab, so findet sich keinen Nachweis über einen öffentlichen Konflikt innerhalb des Seminars, wenn Sombart auch nie als nationalsozialistischer Ökonom akzeptiert wurde.

In einem Zeitungsartikel vom 25. März 1936 in der „The Times“, zu einem Zeitpunkt als die Nürnberger Rassengesetze schon verabschiedet waren, verteidigt sich der damals schon 73-jährige Ökonom zu einem Vorwurf, nachdem er seine Meinung zur „Judenproblematik“ geändert haben solle. Seine Antwort hierauf war: „I have been a National-Socialist for more than a quarter-century, long before I made the comments about the jews which have been quoted” (The Times 1936, Originaltext). Damit zeigt Sombart, dass er sich schon seit 1909 als Nationalsozialist verstand, noch lange bevor überhaupt die Partei gegründet wurde. Er sieht sich also als „nationalen Sozialisten“ im Sinne seines Werks und nicht unbedingt im Sinne des real praktizierten Nationalsozialismus. Sombart wollte als Wissenschaftler eine gewisse Handlungsfreiheit bewahren. Trotz der zunehmenden Entfremdung vom Nationalsozialismus, folgte nie eine politische Abgrenzung seitens Sombarts.

Sombart kritisierte in seinem letzten Werk Vom Menschen die NS-Rassenpolitik. Er konnte es erst nach Kürzungen und Änderungen veröffentlichen (Appel 1992: 244). Auch hier führt Sombart aus, dass „Rasse immer nur eine Summe von Eigenschaften bedeutet, und somit ein Abstraktum ist.“ (Sombart 1938: 347) Sombart zitiert Ludwig Scheeman, welcher die biologischen Rassenforscher als „Männern (denen) die Germanenherrlichkeit wie ein Heller Stern vorgeleuchtet wird“ (Scheemann 1928, in Sombart 1938: 348). Sombart behauptet von der biologischen Rassenlehre sie habe „gewiss nichts mit Wissenschaft zu tun“.

Anlässlich seines Todes am 18. Mai 1941 widmete sich das Hamburger Tagesblatt am 20. Mai 1941 dem verschiedenen Professor, „ein Wissenschaftler trat damit von der Bühne ab, der richtunggebend die nationalökonomische Forschung beeinflusste“ und versuchte aus den „kapitalistischen Zusammenhängen heraus, eine soziale Neuordnung abzuleiten“. Zwar habe er mit seiner Kapitalismuskritik die damaligen Erkenntnisse gefördert, aber zur eigentlichen Betrachtungsweise (der Wirtschaft) nur gering beigetragen. Besonders interessant fällt das Urteil bezüglich des Werkes „Deutschen Sozialismus“ aus, „der große Gelehrte“ war „inzwischen weit entfernt von den wirklichen Ereignissen und dem Anliegen der Zeit“ und trage folglich nicht „zum Verständnis des wirklichen deutschen Sozialismus bei“ (Hamburger Tagesblatt 20.04.41, siehe auch die beiden Nachrufe in der ”Deutschen Volkswirtschaft" und der Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen).

Mit erstaunlichem Weitblick hat sich Sombart schon am 24.9.1933 an seinen Kollegen Johann Plenge über seine Einbeziehung im neuen System beklagt: „Man will keine geistigen Väter haben. Alle Gedanken fangen mit dem 1. Jahr der nationalen Revolution an“ (Janssen 2000: 139). Sombart wollte also seine bisherigen Arbeiten als Vorläufer der neuen Ideologie verstanden wissen, ahnte jedoch den Konflikt: Revolutionen kennen keine Vorlaeufer. Die Diskussion um Sombart zeigt nach Janssen, „wie subtil die Unterschiede zwischen der nationalsozialistischen Rassenideologie und der Lehre führender deutscher Sozialpolitiker letztlich waren. Es gab sie dennoch.“ (Janssen, 2000:275)

Werner Sombart
Quelle:
http://www.ucm.es/info/eurotheo/galerias/