Gottl-Ottlilienfeld lehrte von 1926 bis zu seiner Emeritierung 1941 an der Berliner Universität. Er war bereits vor der Machtübernahme 1933 ein führender Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands. Gottl-Ottlilienfeld war ein Mitglied der historischen Schule, der von der konservativen Revolution und der Neuromantik der Zwischenkriegszeit beindruckt, problemlos die nationalsozialistische Ideologie in seine Arbeiten aufnehmen konnte. Er galt als ein Erneuerer der Wirtschaftslehre unter den Vorzeichen des Nationalsozialismus. Er steht für die Nähe des historisch-romantischen und des nationalsozialistischen Volksbegriffs.
1868 als Sohn eines k.u.k. Generals in Wien geboren, studierte er in Brünn, Berlin, Wien, und promovierte sich bei Karl Knies 1897 in Heidelberg. Nach einer ersten Professur in Brünn, war er von 1908 bis 1919 an der Technischen Hochschule München tätig, und wurde hierauf nach Hamburg auf den Lehrstuhl für Theoretische Nationalökonomie berufen. 1926 kam der Ruf nach Berlin. Er setzte sich in der Zwischenkriegszeit als Gründer der „Davoser Hochschulkurse“ für die Kooperation von Akademikern ehemaliger feindlicher Staaten ein.
Gottl-Ottlilienfeld driftete nach 1933 mit seiner Allwirtschaftslehre immer weiter in die nationalsozialistische Wirtschaftslehre ab (Janssen 2000: 566f.). Seine Thesen zur Außenwirtschaft entsprachen der offiziellen Linie der Wirtschaftspolitik der NSDAP (Gottl-Ottlilienfeld 1934: 58ff.). 1936 wurde er NSDAP-Mitglied. Anders als bei seinem Schüler Wiskemann oder auch Jessen findet man in seinen Schriften keine direkten rassistischen Inhalte, doch steht auch bei ihm der biologisch fundierte Volksbegriff im Mittelpunkt. Ein typischer Beitrag Gottl-Ottlilienfelds ist der Artikel Bolschewismus als Ziel ohne Zukunft (1934).
„Im Anblick dessen, welche Flut von Gräueln seine Anfänge brachten, wie seine Leute die ganze Umwelt mörderisch bedroht und seine eigene Zukunft in unausdenkbare Schrecken sich verliert, nimmt sich der Bolschewismus wohl als die fluchwürdigste Idee aus, von der erhebliche Teile der Menschheit jemals besessen waren.“ (1934: 46)
Er charakterisiert daraufhin jedoch den sowjetischen Sozialismus hinsichtlich der Frage der Technologie und der Effizienz, speziell des Taylorismus. Mit dem Fordismus hingegen könnte man den Kapitalismus überwinden und zugleich ein bolschewistische Revolution verhindern. Das Judentum wird von Gottl-Ottlilienfeld in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, weit entfernt von der Gleichsetzung des Judentums und des Marxismus wie man es bei Wiskemann oder Jessen finden kann. Er verfolgte vielmehr seine eigenen Argumentationsmuster.
Gottl-Ottlilienfeld hat sich in seiner Tätigkeit als Dozent stark für eine völkische Ausrichtung des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums eingesetzt. 1934 sprach er über die Neuordnung des volkswirtschaftlichen Studiums (in Kniesche 1939:439ff.) und argumentierte, dass „Wirtschaft und Recht darin einig sind, dass sie beide die Ordnung des völkischen Lebens verwirklichen; in ihrer Art die Wirtschaft, indem sie ihrem sein nach einer Seite der völkischen Lebensordnung selber gleichkommt.“ Er greift weiter den neo-romantischen Begriff des Erlebnis auf und bezieht ihn auf die biologische Rasse: „das rassische Erbgut [hat] seinen gewaltigen Anteil an der Determination des erlebten Geschehens.“ (1934, zit. in: Kniesche, 1939:458).
Gottl-Ottlilienfeld hat eine eigene theoretische Kreativität entwickelt, die mit der offiziellen Propaganda kompatibel war, doch eine gewisse Eigenwilligkeit aufwies: die schon vor 1933 entwickelte „Gebildelehre“ (Hesse 2006: 483). Beginnend von Familien, Betrieben bis hin zum Staat sollten übergeordnete „soziale Gebilde“zum Wohle aller Enthaltenen untergeordneter Gruppierungen und Einzelpersonen handeln. Diese Gebildenlehre konnte Einfluss auf nationalsozialistische Wirtschaftsideologien nehmen, und zugleich auch an diese angepasst werden. Schon 1934 in seinem Werk Die Läuterung des nationalökonomischen Denkens als deutsche Aufgabe scheint der Gebildenbegriff mit dem des Volkes auswechselbar verwendet zu werden. Er schreibt von der Notwendigkeit „eines Zusammenleben nach der eigenen Art einer völkischen Gemeinschaft“ (in Janssen 2000: 50).
Neben seiner Tätigkeit in der Akademie für Deutsches Recht war Gottl-Ottlilienfeld ab 1937 Ehrenmitglied der „Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft“ und nahm somit Einfluss auf die Entwicklung und Gleichschaltung des Faches. Als Hinweis seiner Bedeutung für den Nationalsozialismus ist, dass ihm eine niedrige Mitgliedsnummer (8005) vergeben wurde, was als persönliche Ehrung seiner Forschungsarbeit angesehen werden muss (Janssen 2000: 567). Den hohen Stellenwert im Staat zeigen auch viele Pressestimmen zu seiner Person. So heißt es in einem Artikel anlässlich seines 70. Geburtstages am 18. November 1938, erschienen in „Der Deutsche Volkswirt“, Gottl-Ottlilienfeld überwinde „durch seine lebensnahe Lehre von Sozialen Gebilde die liberalistisch-individualistischen und marxistischen (…) Systeme, die nur die Einzelnen oder gefügelose Massen sehen“ und schlage damit eine „Brücke zwischen Wirtschaftslehre und Politik“. Weiter im Text heißt es; „so begegnet sich das Ergebnis jahrzehntelanger und früher vielfach verkannter Forschungsarbeit einer großen Gelehrtenpersönlichkeit mit dem weltanschaulichen Erkennen und Wollen unser deutschen Gegenwart“ (Der Deutsche Volkswirt 1938, siehe auch Originaltext).
Ähnlich positiv und von großer Wertschätzung geprägt lautet ein ähnlicher Artikel aus dem „Hamburger Tageblatt“, einer Zeitung der NSDAP, in dem „sein jahrzehntelanger rastloser Kampf für ein grundsätzliches neues Wirtschaftsdenken (…) für das Neue Deutschland“ gewürdigt wird. Selbst Adolf Hitler hat Gottl-Ottlilienfeld persönlich für seine „großen schöpferischen“ Leistungen mit der Verleihung der Goethe Medaille für Kunst und Wissenschaft geehrt (Der Deutsche Volkswirt 1938). 1940 wurde Gottl-Ottlilienfeld Direktor des neugegründeten „Forschungsinstituts für Deutsche Volkswirtschaftslehre“ in Graz, und damit anerkannte Autorität der nationalsozialistischen Volkswirtschaftslehre.
Von der Dienstelle Rosenberg, dem offiziellen Amt der Überwachung geistiger und weltanschaulicher Erziehung, wurde Gottl-Ottlilienfeld 1942 aufgrund seiner intellektuellen Eigenständigkeit jedoch „mit Bedenken betrachtet“. Er galt als „Gelehrter alter Schule, vertritt die autonome Nationalökonomie, die die Interessen der Volksgemeinschaft nicht berücksichtigt“ (in Klee 2005: 193).
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